Sport war sein Leben. Bis zu dem unvergesslichen Tag im April 1985, als ein Autounfall Dieter Lavens Traum vom Leben als Fußballprofi innerhalb einer Sekunde zerstörte. Diagnose Halswirbelbruch. Die Folge: Querschnittslähmung. Sein Vorvertrag mit dem Bundesligisten 1. FC Köln war plötzlich Makulatur, das gemeinsame A-Jugend-Training mit den späteren Weltmeistern Thomas „Icke“ Häßler und Bodo Illgner unter Trainer Christoph Daum nur noch Erinnerung. Nun ging es für Dieter Laven ums Überleben. Eine extrem schwere Zeit. Heute, 30 Jahre später, hat der Bocholter seinen Frieden gemacht mit dem eigenen Schicksal. „Wenn du nicht mehr laufen kannst, wirst du im Kopf deutlich beweglicher“, bilanziert er lächelnd. Und so wendete sich der heute 47-jährige Italienfreund den schönen Dingen zu: dem Dekorieren, der Gartengestaltung, der Malerei und der Lebenskunst.
„So verrückt es klingt, aber ich hatte Glück“, erklärt Dieter Laven. In den ersten Tagen nach dem schrecklichen Unfall sah es aus, als würde er für den Rest seinen Lebens nicht mehr als den Kopf bewegen können. Die Ärzte hatten keine Hoffnung. Anders Pfleger und Therapeuten. Sie machten dem damals 17-Jährigen Mut. „Als Sportler hatte ich gelernt nicht aufzugeben, selbst wenn man ab und zu verliert“, berichtet der Bocholter. Er nahm den Kampf gegen die körperliche Totalstarre auf. Mit Erfolg. Schrittweise kehrte Bewegung in seinen Körper zurück. Nach Wochen ein erstes Schulterzucken. Dann ließ sich plötzlich ein Arm bewegen. Unbeschreibliche Momente, als er einen seiner Finger während der Erstrehabilitation in Duisburg nach Monaten erstmals wieder spürte.
Neuen Lebensmut fasste der Bocholter während einer anschließenden, viereinhalbjährigen Zeit in Heidelberg. Hier wurde seine weitere Rehabilitation mit einer Ausbildung zum Industriekaufmann verknüpft. Die Empfehlung zu dieser Kombination hatte Dieter Laven bereits zuvor vom gebürtigen Bocholter Manfred Sauer bekommen. Der hatte sich 1963 Jahre als 19-jähriger Schüler während eines Ferienaufenthaltes in England durch einen Schwimmunfall die Halswirbelsäule gebrochen und war querschnittgelähmt. Heute ist Sauer erfolgreicher Unternehmer und Gründer einer nach ihm benannten Stiftung, die das Ziel hat, die Leistungsbereitschaft Querschnittgelähmter zu fördern. „Manfred hat mir gezeigt, dass ein Leben im Rollstuhl durchaus lebenswert sein kann“ erinnert sich Dieter Laven. Mit dieser Erkenntnis wuchsen sein Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein.
Dieter Laven: „Wenn du plötzlich nicht mehr laufen kannst, wirst du im Kopf deutlich beweglicher“
Dieses neue Selbstvertrauen konnte er nach seiner Rückkehr nach Bocholt nutzen, um alte Bekanntschaften aufzufrischen und neue zu knüpfen. Dieter Laven stellte fest, dass sich viele Menschen mit dem ersten Wiederehen schwertaten. „Es ist schon komisch, dass man als Mensch mit einer Behinderung den ersten Schritt machen machen auf die anderen zugehen muss. Die sind oft sehr verunsichert“, berichtet der 47-Jährige. Dieter Laven zeigte Verständnis und fand seinen eigenen Weg. Dabei half ihm sein bereits in Heidelberg entwickeltes Logo „Cool im Stuhl“. Es basiert auf seinen Initialen D und L und zeigt einen fröhlichen Rollstuhlfahrer. Das Logo ließ er zuerst als Aufkleber drucken. Später wurde es auch auf T-Shirts oder Baseballkappen genäht und brach nicht selten das erste Eis.
Parallel dazu fand Dieter Laven Arbeit in einem Bocholter Unternehmen, bis er vor sechs Jahren vorzeitig in Rente ging. Nun hatte er die Zeit, sich der Kunst zu widmen. Der 47-jährige malt seitdem abstrakt. Er schichtet Farben und Materialien auf Leinwände, bildet warme und natürliche Strukturen nach, schafft Bilder zum Wohlfühlen. Gerne würde er auch filigran zeichnen. Doch das lässt seine eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit nicht zu. Die bleibenden Handicaps machen es auch notwendig, dass sich – trotz aller Eigenständigkeit – nach wie vor andere Menschen um ihn kümmern müssen. „Aber ich will nicht klagen. Nach fast 30 Jahren im Stuhl habe ich mir den Alltag gut organisiert“, erklärt der 47-jährige.
Zu seiner neuen Lebensqualität hat auch ein elektrisch unterstütztes „Handbike“ beigetragen. Das verwandelt Dieter Lavens Rollstuhl in ein Fahrrad. „Mit dem kann ich wieder wieder Pättkes und Radwege nutzen. Und ich komme an Plätze, an denen ich als Kind war und die du mit dem Auto einfach nicht erreichen kannst“, berichtet der Bocholter. Seitdem fühlt er sich auch körperlich deutlich besser. „Gesund zu bleiben ist mein größtes Ziel. Und wenn ich dann noch die schönen Dinge ausleben kann, bin ich zufrieden“, erklärt der 47-jährige. Zur Zeit sind einige seiner Bilder in einem Teppichgeschäft in der Langenbergstraße zu sehen. „Ich suche noch weitere Ausstellungsmöglichkeiten“, meint Dieter Laven und lacht. Er lacht gerne und viel. Und das lässt selbst Fremde manchmal vergessen, dass Ihr Gegenüber im Rollstuhl sitzt. Irgendwie cool!