36,5 Grad: Bocholter Eddi Lachmann liebt historische Fahrräder

Eddi Lachmann Historische Fahrräder Bocholt
Er ist kein Mann vieler Worte oder großer Gesten. Nein, Eddi Lachmann mag es lieber zurückhaltend bescheiden. Mit einer Ausnahme! Denn wenn sich der 66-Jährige mühsam auf sein stählernes Hochrad schwingt und anschließend wie ein Relikt aus Urgroßmutters Zeiten stolz – manchmal auch ein wenig wacklig – durch Bocholts Straßen gondelt, genießt er das Staunen, die Bewunderung oder gar den Beifall der Passanten. „Das macht Spaß“, meint der gelernte Tankwart, der vor sechs Jahren von vier auf zwei Räder umstieg. Seitdem restauriert er statt Autos lieber historische Rennfietsen, schraubt Hilfsmotoren aus den 50er Jahren an die Rahmen alter Gazelle- oder NSU-Klassiker und verleiht rostenden Cruiser-Veteranen ganz neuen Glanz. Manchmal verkauft er sogar ein paar seiner Schätze. „E.L. Deluxe Bikes“ hießt der Onlineshop, mit dem der gebürtige Pole versucht, das zum Teil aufwändige Hobby zu finanzieren.

 

Am Anfang war es nur ein Zeitvertreib. Eddi Lachmann machte ein verstaubtes altes Rad, das ein Tankstellen-Kunde im heimischen Keller entdeckt hatte, wieder fahrtüchtig. Das Know-How dafür hatte Eddi in den 80er Jahren gesammelt, als er noch tagelang an Motorrädern schraubte oder kleinere Reparaturen an Autos ausführte. „Früher gehörte das mit zum Beruf. Heute aber kannst du ohne einen teuren Analysecomputer nicht mal mehr einen Ölwechsel machen“, berichtet der 66-Jährige. Die Folge des technischen Fortschritts: Seine Werkstatt verwaiste. Umso froher war er, als er den stillen Räumen mit alten Fahrrädern wieder etwas Leben einhauchen konnte.

 

Historische Fahrräder

Schnell gesellten sich zum ersten Rad weitere hinzu. Viele waren noch intakt. Andere mussten zeitraubend repariert werden. Dabei war und ist die Ersatzteilbeschaffung die größte Herausforderung. Eddi Lachmann sucht auf Flohmärkten und speziellen Oldtimer-Teilemessen. Manchmal findet er die notwendigen Schrauben und Ritzel einfach im Schrott. Was nicht passt, wird notfalls passend gemacht. Besonders arbeitsintensiv sind Eddis Lieblinge, die Räder mit Anbaumotor. Die hat er aus Einzelteilen selbst zusammengebastelt. Das Ergebnis sind Unikate, wie es sie sonst nirgendwo auf der Welt gibt. „Ende der 40er und in den 50er Jahren sind sehr viele Menschen mit solchen Rädern herumgefahren. Später kamen die Solex und die Mofas“, schildert der Fachmann.

 

Wer möchte, kann seine Räder im Internet bewundern. Unter http://www.el-deluxebikes.de stellt Eddi Lachmann viele seiner Schätze online. Nutzer aus zahlreichen Ländern schauen sie sich an. Sehr viele von ihnen sind Amerikaner. „Einer ist sogar mal vorbeikommen. Der war auf Dienstreise in Deutschland und hat mich besucht“, erinnert sich der Bocholter.

 

Sein Herz hat Eddi Lachmann derweil seit Jahren an das Hochrad verloren. Bis 1890 wurden diese Modelle hauptsächlich in England gefertigt. Ihre für heutiges Design-Verständnis ungewöhnliche Form erhielten die Hochräder durch den Direktantrieb am Vorderrad. Das musste entsprechend groß sein, um überhaupt Tempo aufnehmen zu können. Erst als der Kettenantrieb und die Übersetzung mit Hilfe von Zahnkränzen erfunden wurde, setzte sich das so genannte Niederrad durch.
Der Bocholter mag es jedoch lieber auf die traditionelle, die uralte Art – auch wenn das nicht ganz ungefährlich ist. „Das Auf- und Absteigen musste ich ganz schön trainieren“, erklärt der 66-Jährige. Weil er nach einer Hüftoperation „nicht mehr ganz so gelenkig ist“, fällt es ihm schwer, sich mit dem notwendigen Schwung in den Sattel zu erheben. Einmal ging das schief. Das Hochrad wurde zu langsam und fiel um . . . und Eddi mit. Die Folge: ein angebrochener Knochen, schwere Prellungen und blaue Flecken.

 

Eddie Lachmann machte einfach weiter. Aufgeben gibt es für ihn nicht. Das ist genau die Eigenschaft, die seine Kunden an ihm so schätzen. Eddi kennt keine Krankheit und keinen Urlaub. Er ist das, was eine große deutsche Versicherung gerne sein möchte: immer da, immer nah. Seit 38 Jahren betreibt er die Avia-Tankstelle an der Dinxperloer Straße.  Ein Urgestein der Branche. Wie lange noch? Eddi Lachmann zuckt mit den Schultern. „So lange wie es geht“, meint er. Das gleiche gilt im Übrigen für das Hochradfahren, einem Hobby, das nicht nur ihm, sondern insbesondere auch der Fahrradstadt Bocholt gut zu Gesicht steht.

 

Berthold Blesenkemper

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